PR Gau bei Jamba?

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Wie ein Blog Eintrag und die Reaktion eines Unternehmens, das wenig über Blogs weiß, einen Kommunikationsgau erster Güte verursachen kann. Dabei fing alles doch ganz harmlos an – ein Versuch einer Rekonstruktion.

[aktualisiert am 15.12. 2004 um 14:45]
Am Sonntag erschien bei Spreeblick, dem Blog von Johnny ein Artikel über Jamba und die drei Gründer, die Samwer Brüder. Der Artikel (hier bereits heute früh verlinkt) lässt sich gut und mit viel Schmunzeln lesen:

Aber der Marc, der Oliver und der Alexander sind keine bösen Leute. Die wollen immer tolle Sachen machen und klug sein. Und deshalb haben sie ganz schnell die nächste Firma gemacht, und die heißt Jamba und die kennt ihr, denn die sind öfter auf MTV zu sehen als der Videoclip eures Lieblingssängers

Es wird aber auch das Geschäftsmodell von Jamba ganz deutlich dargestellt – das war mir bis dato unbekannt:

Sie tun einfach nur so, als ob sie euch einen Klingelton verkaufen, in Wirklichkeit aber verkaufen sie euch ein immer weiter laufendes Abonnement für ganz viele Klingeltöne.
Ganz schön klug, der Marc, der Oliver und der Alexander!

Bis hierhin also der erste Teil der Geschichte. Im Laufe des Tages mehrten sich Blogs, die auf den Spreeblick Artikel verlinkten. Im Augenblick findet Technorati bereits 52 Links, Blogstats meldet 46 Verweise, damit steht der Artikel auf Platz 4 der Top 100 Live Liste. Das bedeutet, die Anzahl der Leser im Spreeblick Blog und auf den verlinkenden Seiten ist groß. Die Öffentlichkeit nimmt Notiz von diesem Thema. Zeit für das Unternehmen zu reagieren, denkt man sich bei Jamba. Warum aber eine offizielle Stellungnahme abgeben? Jamba Mitarbeiter stürzen sich Undercover (dazu später mehr) in die Diskussion und posten Beiträge wie:

Wer zu blöd ist, sich AGBs durchzulesen und das gesprochene Wort MONATS ABO nicht versteht, ist es selber schuld und sollte eigentlich auch gar kein Handy haben dürfen.

oder

Soll doch jeder selber entscheiden für was man sein Taschengeld rauswirft.
Und wenn man sagt illegal dann auf www.zed.de nachschauen! Da sieht man was wirklich kriminell ist!

Wenn der Pöbel nix zu meckern hat, ist er krank! Ich muss meinen Vorrednern Recht geben, Ihr seid doch nur Neidisch.

Meinem Sohn ist das letztens auch passiert mit den Klingeltönen. Und scwupps hatte er ein Monatspaket. Tja, das haben wir gekündigt und damit ist die Sache erledigt. Er muss seine eigenen Erfahrungen machen um im Leben weiterzukommen; er hat draus gelernt und fragt mich jetzt immer bevor er bestellt ob er darf.

auch schön:

Ist doch schön oder? Endlich lernen Familien durch Jamba mal wieder mit einander zu reden! Wird doch viel zu sehr vernachlässigt in unser heutigen Zeit! Besser schimpfen als gar nicht miteinander reden. DANKE JAMBA!

Die Jamba Kollegen posten also eifrig Kommentare, beschweren sich „es wäre ein zwielichtiges und nicht transparentes Forum…“ – übersehen dabei aber, dass Spreeblick eben kein Forum sondern ein Blog ist.

Weiterhin war Ihnen die Information neu, das die meisten Blogging Tools (und im übrigen auch die meisten Foren) die IP Adresse eines jeden Kommentators mitprotokollieren. Somit konnte Johnny den eindeutigen Nachweis bringen, dass all diese Stimmen von einer IP stammen, die IP wiederum gehört zu Verisign, dem neuen Eigner von Jamba.

Sicherlich eine unglückliche Situation für die Kollegen. Was tun? Zurückrudern? Schweigen? Jamba entschied sich für den Frontalangriff:

Dafür ist die Seite nicht wichtig genug, das sich ein Teamleiter die Arbeit machen würde! In Deutschald gibt es Meinungsfreiheit, und wer meckern will, soll es tun. Ich finde es nur traurig, wieviele hie mitschreien, ohne jemals was mit Jamba! zu tun gehabt zu haben. Noch dazu ist der Artikel unsauber recherchiert, aber das nur am Rande, will eh keiner hören.

Die Seite ist also nicht wichtig genug als das sich ein Teamleiter damit befasst. Aber insgesamt mindestens 8 Mitarbeiter – oder war es immer der gleiche? Denn einer schreibt ja:

Und was ist daran so schlimm das wir alle von derselben IP schreiben! Dürfen wir jetzt keine eigene Meinung haben? Es sind trotzdem unterschiedliche Menschen die hier schreiben!

Fassen wir die Eregnisse kurz zusammen – in einem Blog wird das Geschäftsmodell eines großen in Deutschland operierenden Unternehmens (dass Dank starker Präsenz in den Werbeblöcken dieses Landes quasi jedem ein Begriff ist) angeprangert. Einer oder mehrere Mitarbeiter des Hauses mischen sich unter die Diskussionsteilnehmer, prangern den größten Wettbewerber an und gestehen dann Jamba Mitarbeiter zu sein, aber nicht mit der offiziellen Stimme des Unternehmens zu sprechen.

(Klaus Eck) Korrektur: Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach schreibt dazu beim PR Blogger:

Jamba reagiert – und das noch nicht mal wirklich ungeschickt. [..]Ob die Art, wie sie meisten Kommentare von der Verisign-IP formuliert sind (nicht nur der völlig entgleiste von „Goldelse“ ganz am Anfang, siehe oben), hilfreich ist, sei mal dahin gestellt.

Dieses Thema gibt der aktuellen Diskussion über Corporate Blogging und Bloging Guidelines für Mitarbeiter sicherlich eine ganz neue Dynamik und wird vermutlich den häufig zitierten Fall der Kryptonite Issue ergänzen.

[aktualisiert am 15.12. 2004 um 14:45]

Folgende Blogs haben neue Informationen zum Thema:

Interessant sind auch die aktuellen Referer. Es sieht so aus, als hätten die Medien Interesse an diesem Thema gefunden. Server und Gateways von Heise, Newsaktuell und z.B. WNOnline verfolgen die Links auf verschiedenen Blogs und hinterlassen auch hier Ihre Spuren.

Fairerweise möchte ich hier aber auch die Aussage von Johnny zitieren, der neben den „Undercover“ Kommentaren von Jamba auch offiziell kontaktiert wurde:

Ich bin in der Tat gestern nachmittag sehr freundlich von Jamba zu einem Firmenrundgang eingeladen worden, wofür ich mich ebenfalls freundlich bedankt habe. Ob ich die Einladung annehmen werde, weiß ich noch nicht, denn ehrlich gesagt interessiert mich Jamba “von innen” nicht so sehr, ich habe ja aus gutem Grund über Jamba “von außen” geschrieben.

25 Kommentare

von Oliver Wagner

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