Bei wunderschönem sonnigem Wetter fand heute der erste und durchaus interessante und inspirierende Tag der Reboot9 in Kopenhagen statt. Für mich die erste Reboot. Das Problem von Multisession Konferenzen wurde hier allerdings noch um einen zusätzlichen Faktor erweitert: Durch die zusätzliche Möglichkeit neben einem der parallel abgehaltenen Tracks eine kurze Auszeit im Garten, in der Sonne, zu nehmen. Bei rund 26 Grad mitunter verlockend! Was ich aber wohl nie verstehen werde: Warum finden die Sessions die mich wirklich interessieren stets gleichzeitig statt, unterbrochen von Tracks die ich allesamt weniger spannend finde?
Am Morgen sprach Jeremy Keith über die Seele des Menschen, die Definition des eigenen Ichs, basierend auf dem, „was wir uns selbst über uns erzählen“ bzw. wie die neuronalen Verknüpfungen interagieren. So baut er eine Brücke zu den vielen Bits und Bytes an Informationen die jeder von uns im Netz verteilt und speichert. Sowohl im eigenen Blog das Dank Widgets immer mehr zum zentralen Informationshub wir, aber auch verstreut über externe Dienste. Alle diese zusammen zufassen kann den Lifestream eines Menschen darstellen (via RSS und Yahoo Pipes leicht zu realisieren). Dennoch stellen Dienste wie Flickr, Upcoming, Twitter, del.icio.us, Last.fm, Jaiku, Facebook, Myspace etc Walled Gardens da – die Verknüpfungen zu den Menschen, dem eigenen sozialen Netz, können nicht exportiert oder mitgenommen werden. Dabei sind diese oft wichtiger, als die hinterlassenen Daten. Von dort schlägt Keith dann die Verbindung zu Mikroformaten, die diese Verbindung im Code einer Seite zeigen können. Das rel Attribut stellt die Relationen zwischen Dokumenten da, kann aber auch zum semantischen Markup von Verbindungen zwischen Menschen genutzt werden (xfn, der Microformat Vorläufer).
Ausserdem bietet sich diese Auszeichnung an, um beispielsweise auf eigenen Seiten zu verlinken: < a rel=“me“ http://www.agenturblog.de“ >Mein Blog< /a> oder die Verbindung zu den Menschen die einen Umgeben, inkl. der Art von Beziehungen, die man zu diesen hat zu markieren (Vollständig dokumentiert hier).
Was uns fehlt, so Keith, sind Tools, die diese Metadaten auswerten und visualisieren bzw. und das würde ich ergänzen, die dies als offenen Standard für die Codierung von Verbindungen über diverse Social Networks hinweg nutzen und somit das eigene Netzwerk sehr leicht auf neue Tools adaptierbar machen. Microformats werden wir übrigens auch für die semantische Auszeichnung der Verbindung zwischen zwei Menschen in Partnr.de nutzen.
Danach sprach Matthias Müller-Prove über das Duell zwischen dem Desktop und dem Web und die unterschiedlichen Paradigmen, denen die GUIs folgen. Eine Lösung oder Ausblick hat er allerdings nicht aufgezeigt – oder ich habe ihn verpasst. In der Diskussion herrschet aber Konsens, dass Web und Desktop auf dem gleichen Device stattfinden und sich in ihrem Umgang mit Userinteraktionen, nicht zuleztzt durch Ajax, stetig annähern, die mentalen Modelle jedoch extrem unterschiedlich sind…
In seinem Talk Energy sprach Tom Raftery über das Setup seines Datacentes (Cork) und Ansätze, wie man dergleichen energiesparend und Carbon Neutral aufsetzen kann. Grundsätzlich natürlich eine super Sache, mir allerdings etwas zu technisch…
Markus Breuer führte durch eine Diskussion rund um das Thema: Are Avatars Human?
Einige Fragen, die angesprochen wurden: Gibt es gescriptete Bots/Avatare in Second Life? Vermutlich noch nicht, könnte aber ein echtes Businessmodell sein, insbesondere in der SL Sexindustrie.
Wie real muss ein Avatar sein um in Second Life ernst genommen zu werden – und will man das? Das Beispiel eines rosa Hasen, der an einem Konferenztisch wurde besprochen. Aber natürlich hängt die Wahrnehmung und die Reaktion die man erzielen möchte von den eigenen Motiven der Nutzung ab. Kann man in SL eine gänzlich anderen Charakter darstellen? Oder erleichtert es, SL andere Facetten der eigenen Persönlichkeiten auszuleben, die man im wahren Leben nicht zu entfalten wagt/vermag? Kann es helfen, die in SL gewonnenen Erfahrungen später zurück ins real Life zu übertragen?
Besonders interessant natürlich auch die Frage Wie wichtig ist die Öffnung des Systems als OpenSource? Wird dies das Wachstum weiter beschleunigen?
Später sah ich eine mediokre Einführung von Matt Jones in Dopplr.com und einen Vortrag von Nicolas Nova mit dem tollen Titel Hybridization, fusing, melting, coalescence and salmagundi – also die Fusion von Virtuellem und Realem, Digitalem und Physischem. Die hohe Messlatte des Titels hat der Vortrag allerdings etwas unterwandert.
Ein aus meiner Sicht überraschendes Highlight gab es dann zum Ende des ersten Tages: Jyri Engeström sprach über Microblogging bzw. über Social Objects, also die Elemente, die in Social Networks für die Verbindungen zwischen Menschen sorgen bzw. diese motivieren, Verbindungen einzugehen. Musik bei MySpace, Fotos bei Flickr oder Bookmarks bei del.icio.us etc. Er empfiehlt also bei der Konzeption eines Social Networks zunächst auf die Wahl des richtigen Social Objects zu achten und dies auch Verbal im Produkt permanent zu unterstützen, sprich immer wieder auf den Kern der Applikation hinzuweisen. Der dritte wichtige Punkt ist eine gute Permalink Struktur. Die Social Object müssen leicht verteilt (Stichwort externe Einbindung) und wieder gefunden werden können. Einladungen in den Service sollten kleine Geschenke sein, so der vierte Punkt. Aufmerksamkeiten, die neuen Usern den Einstieg in das Produkt leichter machen. Charge the publisher not the spectator, Freemium. meint, User nicht für den Signup in ein neues Produkt zur Kasse zu bitten, sondern Upsells für bestimmte Funktionen, Premium Dienste, erweiterte Funktionen oder Optionen anzubieten. Eigentlich klar.
Schön auch das Bild zum Ende des Vortrags – demnach stehen wir derzeit kurz vor der „Mass-Starbucksization of nearly everything“-Ära: Microcontent kann von nahezu überall mitgenommen, integriert bzw. gewidgetet werden.