Das schöne an Wartezeiten auf dem Flughafen ist, dass man sie nutzen kann um einem Gedanken etwas ausführlicher zu folgen, als es die knappe Zeit im Büro sonst zulässt.
Eben habe ich einige Zeilen über Kundenservice und das BMW/Google Dilemma geschrieben. Dabei musste ich über einen Satz des BMW Marketings zu Verteidigung ihres Vorgehens nachdenken:
Im Januar sind einer Erhebung zufolge lediglich rund 4.400 der 1,1 Millionen Nutzer oder 0,4 Prozent über Google auf die BMW-Webseite gelangt.
Das ist aus einer Vielzahl von Gründen erstaunlich und sollte das Marketing oder eigentlich sogar die Geschäftsleitung in München alarmieren. Hier läuft etwas ganz furchtbar falsch. Vermutlich hat diese Erkenntnis auch zur Beauftragung eines zweifelhaften Suchmaschinenoptimierers geführt. Aber wie Mario schrieb ist es noch schlimmer, einen Fehler durch einen weitaus größeren zu vertuschen, sprich die für Suchmaschinen schlecht zugängliche Seite durch Tricks in den Index zu bekommen. Der Königsweg hätte doch so aussehen müssen, die attraktive und mit einem Pagerank von 7 geführte Seite durch gute Inhalte in Suchmaschinen zu bekommen. Dabei würden nicht nur Suchbegriffe zu Treffern führen die ohnenhin zu BMW gekommen wären (BMW, 3er, Touring etc), sondern idealerweise auch ganz viele Keywords aus dem Umfeld, aus dem Motorsport, Technik und Lifestyle Themen etc.
Dazu ein Beispiel aus unserer Praxis:
Vor gut vier Jahren haben wir die Betreuung der Online Aktivtäten eines führenden deutschen Herstellers von Küchengeräten übernommen. Im Rahmen der konzeptionellen Beratung vor dem zu entwickelnden Relaunch haben wir intensiv die Nutzungsgewohnheiten innerhalb der alten Webseite betrachtet. Durch eine framebasierte Navigation, grafischen Buttons und wenig Produktdetails war kaum Substanz für Suchmaschinen vorhanden, entsprechend schlecht war die Seite zu finden.
Für den Relaunch setzten wir auf eine Kombination aus guter HTML Kodierung gepaart mit vielen Inhalten. Jedes Produkt erhielt eigene Dokumente mit sprechenden URLs (www.seite.de/produkte/produktname-nummer.html), ausserdem tauchte der Name auch als H1 Headline auf und wurde auf Übersichtsseiten nach Kategorien sortiert verlinkt. Das funktionierte bereits sehr gut und sorgte dafür, dass der ehemals im unteren dreistelligen Bereich angesiedelte Besucherstrom plötzlich eine weitere Null führte. Im nächsten Schritt ergänzten wir die Seite um Kochrezepte (die glücklicherweise inhaltlich bereits auf Seiten des Kunden vorlagen). Die Rezepte wurden wiederum von den Produkseiten verlinkt und vice versa wurden die Geräte auf den Rezeptseiten eingebunden (ideal zuzubereiten mit dem XXX Gerät). Kontinuierlich wurden neue, saisonale Gericht ergänzt. Diese Maßnahmen führte zu einer weiteren Steigerung des Traffics aus Suchmaschinen und nach einigen Monaten überstiegen die Einstiege nach Rezepten sogar die Produktsuchen. All dies ohne weitere Werbemaßnahmen oder Kosten.
Was aber bringt mehr Traffic der Marke? Neben einer wesentlich höheren Kontaktzahl und mehr gesammelten Adressen und Prospektbestellungen vor allem ein Imagegewinn durch starke Präsenz in den die Marke umgebenden Kernthemen. In unserem Beispiel war unser Kunde bei der Suche nach aktuellen und saisonal passenden Rezepten häufig zu finden.
Interessant war noch eine Beobachtung bei diesem Projekt. Nach einigen Jahren der Zusammenarbeit wanderte das Online-Budget des Kunden von uns weiter in die Hände der neuen klassischen Agentur. Diese setzen wiederum ganz anderer Schwerpunkte bei dem neuerlichen Relaunch der Seite. Sie setzten ihr Markenverständnis so um, das Web und klassische Werbung sowie Prospekte absolut einheitlich aussahen. Gleiche Visuals, gleicher Aufbau, gleiche Fonts. Um das zu erzielen mussten nahezu alle Texte als Grafiken gesetzt werden, die Navigation wurde in Flash realisiert, zur besseren Wartbarkeit wurde die Seiten in ein CMS eingebunden, das allerdings keine sprechenden URLs, aber ganz lange Zahlenkolonnen für jededs Dokument auswirft. Stets gepaart mit einer Session ID. Sieht ganz gut aus, der Traffic hat sich (solange ich das beobachten konnte) wieder ziemlich präzise den ursprünglichen Werten angeglichen.
Als Resümee kann ich eigentlich nur gebetsmühlenartig bereits bekanntes wiederholen. Content zählt, eine saubere Umsetzung ist wichtig, dann muss man nicht zu Taschenspielertricks greifen um über 0,4 Prozent Traffic aus Google zu kommen. Und wenn man sich schon mit einer solchen Arroganz über all dies hinwegsetzt, sollte man sich einfach nicht beim Gegenteil ertappen lassen.