Die Crux mit den Blogs

D

Während wir hier in Offenburg Offenbach in den vergangenen zwei Tagen knapp 200 Teilnehmern aus mittleren und größeren deutschen Unternehmen einen Einblick in das neue Web, das offene und partizipative Web, gegeben haben, kam in Diskussionen auch immer wieder die Frage auf – warum gibt es denn in Deutschland weniger Blogs? Warum entwickeln sich andere Märkte, andere Länder in diesem Bereich viel schneller, agiler und haben eine andere Kommunikationskultur?

Einen klassischen und aus meiner Sicht ganz typischen Grund dafür zeigte konnte man heute früh im Handelsblatt lesen. Dort schreibt der Frankfurter Korrespondent Jens Koenen einen Artikel unter dem Titel „Die Crux mit den Blogs“:

„Wer heutzutage in sein will, startet ein Internet-Tagebuch. Auch immer mehr Unternehmen und Manager entdecken die Blogs. (…) Warum auch nicht? Schließlich muss sich das Management doch den geänderten Kommunikationsgepflogenheiten anpassen. Doch leider wird zu häufig nach dem Motto verfahren: Dabeisein ist alles. Doch dem ist nicht so. Als Siemens-Chef Klaus Kleinfeld in seinem Online-Tagebuch wüst wegen seiner Gehaltserhöhung beschimpft wurde, gelangte dies an die Öffentlichkeit – aus Sicht des Konzerns ein kommunikatives Desaster. (…) Die Quintessenz: Statt sich spontan auf jedes neue Kommunikationsvehikel zu stürzen, sollten Manager genau überlegen, für welche Zwecke es sich eignet. Beim Flugzeughersteller Boeing etwa können sich Flugzeugfans in Blogs über neue Entwicklungen informieren – ein sinnvoller Ansatz.“

Herr Koenen, erlauben Sie mir ein paar Punkte zu Ihrem Artikel zu kommentieren. Blogs sind mittlerweile eigentlich kein wirklich neues Phänomen mehr, auch nicht in der Unternehmenskommunikation. Viele Unternehmen zeigen dies und leben die offene Kommunikation mit ihren Kunden und Märkten. Somit glaube ich nicht, dass man ernsthaft davon sprechen kann (oder will) in zu sein, nur weil man ein Blog betreibt. Eher zeigt man seinen Kunden – ja, wir möchten mit Euch sprechen, wir laden Euch zum Dialog hier bei uns ein.

Darüberhinaus ist das Synonym Online-Tagebuch nicht nur veraltet, sondern insbesondere mit Blick auf die Integration in die Kommunikation eines Unternehmens oder einer Marke, schlichtweg falsch und unpassend.

Drittens, möchte ich mir den Hinweis erlauben, dass das kommunikative Desaster, das Siemens und Herr Kleinfeld im besonderen derzeit durchleben, nicht durch das Blog befeuert wurde, sondern sich dort lediglich wiederspiegelt. Dass diese Informationen und Gespräche im Unternehmen bleiben sollten versteht sich von selbst, allerdings ist das kein Argument dafür, sie nicht zu führen. Immerhin entstanden die Unmutsbekundungen der Mitarbeiter nicht aus einem Vakuum, sondern zeigen die aktuelle Stimmungslage im Unternehmen. Eigentlich eine Chance, hier die Kommunikation zu suchen und die Dingen gerade zu rücken.

Statt also nur zu warnen, vor der spontanen(!) Teilnahme an Blogs, also vor der offenen Kommunikation mit Mitarbeitern, Partnern und Kunden, würde ich es begrüßen, wenn auch die deutsche Presse es lernt, Blogs zu Begreifen und in ihrer Berichterstattung adäquat zu Berücksichtigen – in anderen Ländern funktioniert das doch auch.

Abschließend, und da kann ich mich nur den Worten des gestrigen Vortrags von Mark Pohlmann anschließen, die Bombe ist bereits geplatzt. Der weiße Elefant steht bereits im Raum – auch wenn sich Kommunikatoren und Management die Augen noch so fest zu halten – er wird den Raum nicht mehr verlassen: Kommunikation über Unternehmen findet statt im Web, überall. Unternehmen haben die Chance, diese Gespräche in ihr Haus zu holen, auch wenn es vielleicht hier und da schmerzt. Loslassen ist eben manchmal der einzige Weg, etwas zu behalten. Zumindest teilweise. Nur durch diese Offenheit können Unternehmen an Gesprächen über sie teilnehmen und vielleicht manchmal auch an der Richtung dieser Gespräche mitzuwirken.

Augen, Ohren und Mund fest verschließen ist keine Taktik mit Perspektive, deswegen würde ich mich freuen, wenn auch deutsche Wirtschaftsblätter dies ihren Lesern nicht mehr empfehlen. Inbesondere, wenn gerade das Handelsballt, doch eigentlich ganz hervorragende Blogkompetenz im Hause hat.
Vielleicht schaffen wir es dann, die Blogparalyse in Deutschland langsam aufzubrechen.

9 Kommentare

von Oliver Wagner

Instagram

Instagram has returned empty data. Please authorize your Instagram account in the plugin settings .