Portable Social Networks Meetup

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Eine illustre Runde um Marc Canter, Dick Hardt und Biz Stone fand sich am Freitag Nachmittag abseits der Picnic 2007 in einem fast 100 Teilnehmern vollbesetzten, kleinen Raum zusammen, um über offene Netzwerke zu diskutieren und zu brainstormen.

Bereits in einigen der Sessions schwang dieses Thema zwischenzeitlich immer wieder mit – nicht zuletzt angefacht durch die „Ankündigung“ von Google, künftig alle Produkte viel weiter zu öffnen.

Bevor ich einige Zitate und Aussagen der Teilnehmer festhalte, zunächst eine grobe Einführung in das Thema (für Leser die meine bisherigen Artikel zu Portablen Sozialen Netzwerken nicht verfolgt haben):

Social Networks kreisen um die Inhalte (Social Objects) von Usern, den Verbindungen der Nutzer untereinander und den Interaktionen miteinander (Social Graph). Wenngleich in fast allen Netzwerken die Inhalte auch extern Verwendung finden dürfen und sollen (Bilder bei Flickr, Videos bei Youtube (etc), Links bei del.icio.us, Musik bei Last.fm und so fort), so bleiben die Interaktionen und Kontakte im allgemeinen eingeschlossen in das jeweilige Netzwek. Das ist nicht glücklich, da man zum einen davon ausgehen kann, dass bereits heute unglaublich viele Menschen parallel eine ganze Reihe von Services nutzen. Dabei müssen Sie jedesmal erneut ihr Netzwerk flechten – und an verschiedenen Stellen pflegen. Des weiteren entstehen täglich neue Produkte, für die man sich wiederum neu registrieren und dannach seine Buddies einladen muss. Die Anzahl an Social Media Services die ein durchschnittlicher User künftig nutzt wird sicher stark steigen, spätestens, wenn diese Netzte immer spezialisierter und auf kleinere Nischen fokussieren.

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Das Bestreben ist also, eine zentrale Verwaltung der eigenen Daten zu haben, die nicht nur die Social Objects, sondern auch alle Kontakte und Verbindungen einschließt. Kombiniert man dies mit einem zentralen Authentisierungsdienst, kann man sich mit einem Klick bei jedem neuen Netzwerk anmelden und auf Wunsch seine bestehenden Kontakte importieren – und in der weiteren Nutzung stets gegen diese zentrale Datenbank synchronisieren. So sind die Daten in allen Produkten aktuelle und auf dem gleichen Stand. Entscheidet man sich, einen Service nicht mehr zu nutzen, kann man ihm den temporären gewährten Zugriff auf diese Daten unterbinden.

Idealerweise sollte es möglich sein, verschiedene Personas anzulegen, immerhin hat jeder Mensch eine ganze Reihe von Rollen/Funktionen/Interessen, hier sollte die Möglichkeit bestehen, zu entscheiden, was zusammengehört und was besser kit einer separaten Identität (ohne Verbindung zu den anderen Daten) genutzt werden kann. OpenID stellt dergleichen bereits zur Verfügung.

Es gilt zwischen drei unterschiedlichen Interoperabiltätsmodellen zu unterscheiden:

Moving: Exportieren der gesamten Inhalte eines Systems (bspw. Twitter) in ein anderes System (bspw. Pownce).
Dies ist ein einmaliger Schritt und deckt nur die Daten bis zu diesem Zeitpunkt ab.

Syncing: Alle Accounts synchronisieren, sprich eine Nachricht die ich bei Twitter schreibe, erscheint auch bei Pownce und Jaiku – sowie andersherum. Das wird derzeit schon so gelöst, primäre über Software von Dritten, die Feeds ausliest und die Inhalte in die anderen Systeme verteilt. Problem: Jedes Social Object (in diesem Beispiel also Nachrichten) befindet sich an mehreren Speicherorten. Diskussionen finden nicht zentral, sondern verteilt statt.

Federating: Ein Account (bspw. bei Twitter), auf den auch Pownce und Jaiku User zugreifen können (wie Jabber es für die verschiedenen IM Dienste versucht abzubilden). Im Prinzip kann man dies auch mit dem Beispiel der Telefoncarrier vergleichen. Ein Telekom Kunde kann sebstverständlich auch einen Vodafone oder Alice Kunden anrufen – netzübergreifend. Wenngleich das Resultat auf den erstem Blick der Variante der Synchronisation entspricht, liegt der Unterschied zum einen im Protokoll. Syncen basiert auf permanente Pulls der API (oder Feeds) der jeweils anderen Applikation um die entsprechenden Daten auszugeben. Federating hingegen schickt ein (noch zu definierendes) Ping Signal an den anderen Service und sagt: Da ist etwas neues für Dich. Reduktion von Netzwerkoverhead ist einer der Vorteile, ausserdem Geschwindigkeit. Offene Fragen: Wo liegt das Profil eines Users? Wo findet die Diskussion zu einem Thema statt? Zentral, werden also alle Kommentare systemübergreifend aggregiert? Wird Twitter jemals direkt auf ein Jaiku oder Pownce Profil verweisen?
Wenngleich sich diese Idee also gut anhört (Dick Hardt sagte zu dem Kollegen von Jaiku, der dieses Modell vorstellte“ Sounds like you have been smoking Crap, that will never work.“), ist die Umsetzung mehr als unwahrscheinlich.

Einige Zitate und Meinungen der Diskussion:

Dick Hardt:

-OpenID bietet bereits die Grundlagen für die zentrale und synchrone Speicherung von Daten.
-Aus Sicherheitsgründen denkt Dick über eine clientside Lösung zur Identifikation des Nutzers nach.

Leider musste er das Panel zwischenduch verlassen um parallel seine bekannte Identity 2.0 Präsentation zu halten (bspw. hier zu sehen).

Marc Canter:

-Heute ist OpenID nur interessant für die Authentifizierung, ein Foundational Layer für Single Sign On
-Shared Social Graphs (Brad Fitzpatrick) werden es schwer haben, Betreiber von sozialen Netzwerken haben wenig Interesse an dieser Öffnunug
-Es gibt Portabilität in zwei Formen: Der Content und die Kontakte. Wir wollen beides!
-Technisches ist alles lösbar und vorstellbar. Die Frage ist, wieviel Offenheit die „Bosse“ zulassen.
-If you dont do it – somebody else will
-MyYahoo! ist eine personalisierte Startseite – die niemand mehr nutzt (ausser Marc). Aber, sobald dies neue, coole Features bekommt – die User kämen zurück.
-The future is in Interface – not in Database
-Beziehungen/Freundchaften sind nicht 1 oder 0, dazwischen es gibt viele Level von Granularität zu modellieren.
Hyves bietet ein Feature (als Premium Service an), mit dem Nutzer ihr Profil für den Aufruf durch einen bestimmten anderen Nutzer (oder ein Gruppe) anpassen können
-Ein Problem, das es zu lösen gilt, ist die Verbindung der unterschiedlichen Identitäten in den verschiedene Systemen, Silos und Portalen. Alle Aktivitäten eines Users verweisen auf sein zentrales Profil (OpenID) dass alle seine Aktivitäten zusammenfasst und idealerweise auf unterschiedlichen Benutzerleveln anzeigt (für alle, für Freunde, für Familie etc).

Biz Stone:
Bei Biz war ich mir nicht sicher, ob er schlichtweg aus Gründen der Geheimhaltung über viele Themen nicht sprechen wollte – oder ob er sich einfach mit all diesem nicht auskannte. Seine Beiträge zur Diskussion waren somit eher wenig erhellenden – und insgesamt auch sehr knapp.

-Twitter API verursacht 20x den Traffic der Webapplikation. Biz denkt, dass dieser Trend in Zukunft noch stärker wird, vielleicht wird Twitter dabei sogar unsichtbar.
-Twitter nutzt keine Microformate/XFN – zumindest weiß Biz erschreckend wenig darüber.
-User werden verwirrt, wenn zuviel Automatismus mit ihren Daten passiert. Sie wollen Kontrolle.
-Wenn man neues Feature nicht ganz prominent anbietet (oder direkt aktiviert) – Menschen werden sie nicht nutzen.

Zwischendurch schaltete sich auch noch Jyri Engström von Jaiku ein:

Multiple Personas müssen berücksichtigt werden
Systeme müssen dynamisch sein, Menschen ändern sich

Noserub wurde von einem Teilnehmer aus dem Publikum vorgstellt, als ein sophisticated RSS Reader, ebenso wurde kurz über OAuth gesprochen. Letzteres ein Service, das sichere API Verbindungen, auch zwischen Desktop und Server, erlaubt.

Mein Fazit:
Auch wenn die Diskussion zur Öffnung des Social Graphs immer konkreter wird, mein Eindruck der Session in Amsterdam sagt mir, dass der Weg dahin nicht gerade kurz ist. Eigentlich primär aus zwei Gründen: Zum einen ist diese Thematik sehr technisch und für den potentiellen Nutzer vielleicht etwas zu abstrakt. Diese Hürde hat auch OpenID immer noch nicht nehmen können. Vielleicht liegt es an der Implementierung in, vielleicht an dem nach wie vor Erklärungsbedürftigen Vorteil – Massenmarktkompatibilität ist trotz der Einbindung von OpenID bei vielen großen Portalen und Services noch nicht erreicht. Zum anderen sieht es nicht so aus, als warteten die bestehenden Social Networks nicht wirklich auf diesen Standard. Derzeit gefallen sich insbesondere die großen (siehe Twitter) in der Rolle (und in Anbetracht all der Vorteile) eines gesclossenen Systems.

Dennoch, und da stimme ich Mac Canter vollkommen zu: If you dont do it – somebody else will. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir neue, offene Plattformen sehen werden, bis sich die bestehenden Öffnen, wird es noch eine Weile dauern – vielleicht legt Google aber auch schon in wenigen Wochen einen neuen Benchmark vor…

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