Meine Gedanken zum Ende von Lycos

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Das Presseecho der vergangenen Tage hätten wir uns alle sicher in anderen Zeiten und in einem anderen Kontext gewünscht. Aber nun ist die Katze aus dem Sack und für mich an der Zeit, meine persönlichen Gedanken und Gefühle rund um das Ende von Lycos Europe festzuhalten.

Die zentralen Fragen, die immer wieder gestellt werden und deren Beantwortung unglaublich schwer ist, lauten „Hätte es ein anderes Ende nehmen können“ und „Was hätte dafür anders laufen müssen?„.

Ich glaube in diesem Kontext an zwei Dinge. Zum Einen ist es generell eine Frage nach dem Modell Portal an sich. Wie groß ist der Markt für die zentralen Anlaufstellen im Netz in einer Welt der Microapplikationen und der personalisierbaren Startseiten? Braucht es Anbieter, die als Generalisten quasi alles zur Verfügung stellen bzw. wie groß ist das Bedürfnis der Nutzer, alle wichtigen Applikationen kombiniert mit thematisch rubrizierten Inhalten unter einem Dach vereint zu sehen? Dank OpenID und zahlreichen anderen dezentralen Identifikationssystemen ist der Gewinn an Komfort nur noch marginal, das passende(re) Angebot ist nur einen Mausklick entfernt – wenngleich diese Ansätze bei weitem noch nicht Massenkompatibel sind.

Einen weiterern Punkt – der nicht zu leugnen ist – stellt die Tatsache da, dass es schwerer denn je ist, als Suchmaschine zu bestehen. Das vor allem in Deutschland, wo Google allein fast 90% der Suchanfragen auf sich vereint.

Das mag nun so klingen, als suchte ich die Gründe für das Scheitern von Lycos primär im Marktumfeld und bei Dritten. Ganz so ist es natürlich nicht. Man hätte bestimmt einige Dinge mehr forcieren, schneller umsetzen und fokussierter verfolgen können und müssen. Wer mit mir auf Konferenzen, BarCamps oder einfach Abends bei einem Glas Wein gesprochen hat, weiß, dass ich damit stets recht offensiv und offen für neue Anregungen umgegangen bin. An der grundsätzliche Problematik hätte dies aber womöglich nicht viel geändert.

Resümee
Das vorausgeschickt bleibt, ein kleines Fazit dessen zu ziehen, was ich meiner Zeit hier in Gütersloh bewegen konnte – und insbesondere, was mich bewegt hat. Allen Unkenrufen zum Trotz gab es aus meiner Sicht einige Perlen, die hier entstanden sind. So wurden auf Lycos iQ alleine in Deutschland mittlerweile weit über einer Million Fragen gestellt und es ist eine sehr aktive und rege Community entstanden. Für mich war es sehr spannend, an dem Projekt zunächst konzeptionell mitzuarbeiten und es dann schrittweise wachsen zu sehen.

Im laufenden Jahr haben sich viele unserer Aufgaben mit der Verbesserung der Usability fast aller aktuellen Produkte befasst sowie rund um die Konzeption und Gestaltung eines neuen Portals gedreht. Es steht wohl zu befürchten, dass dies leider nicht mehr das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Vielleicht wird es mir aber möglich sein, in den kommenden Wochen hier im Blog einen Einblick in unsere Ideen zu geben.

Für mich bleibt in jedem Falle rückblickend zu sagen, dass ich in den fast vier Jahren, die ich jetzt direkt für das Unternehmen arbeite viel gelernt habe, einige Dinge verändern und mitprägen konnte. Zahlreiche Reisen für Lycos haben mich oft nach Hamburg und München geführt, aber auch immer wieder nach Amsterdam, Paris, London, Kopenhagen und Stockholm. In dieser Zeit habe ich ein tolles Team mit sehr lieben und talentierten Kollegen aufgebaut. Und – eigentlich das Wichtigste: ich habe viele nette Menschen kennengelernt von denen einige im Lauf der Zeit zu wirklich guten Freunden wurden.

Weniger erfreulich ist selbstredend die Situation zahlreicher Kollegen, die von den Ankündigungen in der vergangenen Woche deutlich mehr überrascht wurden. Wir haben die letzen Tage dahingehend recht sinnvoll genutzt und Abläufe etabliert um die verschiedenen Anfragen die uns derzeit erreichen zu bündeln und entsprechend der angefragten Profile an potentielle Kandidaten im Unternehmen weiterzuleiten. In diesem Zusammenhang ein Hinweis: Bei Interesse an erfahrenen Entwicklern (insbesondere PHP und Java), Produkt- oder Communitymanagern freue ich mich über eine Kontaktaufnahme über dieses Formular oder via Xing. Entsprechende Profile leiten wir umgehend an die am besten geeigneten Kandidaten weiter.

Was mich persönlich sehr gefreut hat, waren die zahlreichen Reaktionen, die ich seit vergangenem Mittwoch via Mail, Twitter, Xing und vor allem persönlich erhalten habe. Es ist schön, zu merken, dass man von einem stabilen und nicht zuletzt in weniger guten Zeiten sehr aktivem Netzwerk umgeben ist, das sich kümmert. Danke dafür!

Ausblick
Abschließen noch die Frage, die mir persönlich natürlich am häufigsten gestellt wird: Wie geht es bei mir weiter? Es wäre verfrüht, dazu jetzt konkret Auskunft zu geben. In den kommenden Monaten werden ich mich mit meinem Team primär um die Dokumentation unserer bisherigen Arbeit kümmern, so dass potentielle neue Eigner leicht mit den bestehenden Materialien weiter arbeiten können. Für mich gibt und gab es zudem immer auch meine privaten Unternehmungen, die ich parallel zu Lycos betrieben habe, insbesondere natürlich MedPreis.de. Diese wird es natürlich weiter geben. Zum Anderen führe ich einige sehr interessante Gespäche über deren Ausgang ich bestimmt auch an dieser Stelle berichten werde.

Und natürlich: Sollte jemand von einer interessanten Position für einen Creative Director mit gut zehn Jahren Berufserfahrung und besonderen Schwerpunkten im Bereich Social Media und Usability hören, so habe ich natürlich derzeit ganz besonders offene Ohren.

16 Kommentare

von Oliver Wagner

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